Selten wurde eine Briefmarkenversteigerung bei AIX-PHILA mit so großer Spannung erwartet wie die 69. Auktion. „Schuld“ daran war der 2. Teil einer außergewöhnlichen Sammlung „Deutsche Kolonien“, als gut 800 Positionen gespickt mit Raritäten in meist überdurchschnittlich guter Erhaltung unter den Hammer kamen. Zuschläge im fünfstelligen Bereich waren keine Seltenheit, Steigerungen um das 10- bis 20-fache eher die Regel als Ausnahme. Von drei zurückgezogenen Losen abgesehen, blieb keine Position unverkauft, und der Gesamtausruf wurde versechsfacht. Bemerkenswert war außerdem, dass sich so viele verschiedene Sammler erfolgreich an der Versteigerung beteiligt haben.
Heiß umkämpfte Vorläufer
Vorläuferausgaben – besonders solche mit seltenen und gestochen klaren Entwertungen – waren durch die Bank heiß umkämpft und vervielfachten in der Regel die Startpreise, so z. B. von Deutsch- Neuguinea der Stempel KERAWARA auf einem Paar der 10 Pf von 150 auf 1050 Euro oder ein Einschreibebrief von HATZFELDHAFEN nach Mainz mit u. a. 25 Pf Adler frankiert, der von 100 auf 1450 Euro hochschoss. Bei Deutsch-Ostafrika erzielte eine komplette Paketkarte von KILWA nach Cottbus, frankiert u. a. mit 2 Mark, nach Ausruf von 250 stolze 4200 Euro. Eine Postkarte von GROSS-BATANGA (Kamerun) nach Hannover wurde von 70 auf 2400 Euro hochkatapultiert. Der sehr seltene Stempel aus APIA (Samoa) „Imperial German Post“ auf einer 20 Pf Adler erreichte beachtliche 3700 Euro, und eine 2 Mark graulila mit Stempel KLEIN-POPO aus Togo kam nach einem Startpreis von 1500 immerhin auf 3500 Euro. Die Markenausgaben bis 1914 erfreuten sich ebenfalls großer Nachfrage und hier vor allem die Besonderheiten: Ein Satz waagerechter Paare Adler mit Aufdruck DEUTSCH-NEU-GUINEA auf der jeweils linken und DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA auf der rechten Marke, der als erstes Los ins Rennen geschickt wurde, landete nach 2500 Ausruf bei 16 500 Euro. Die erste Marke von Deutsch-Ostafrika, eine 3 Pf mit vergrößerter Aufdruckbreite, kam nach 1500 auf 6400 Euro. Sehr gute Preise erzielten auch die begehrten Halbierungen, die aufgrund Markenmangels infolge einer Portosenkung (das gab es tatsächlich einmal!) bei Sammlern sehr begehrt sind. Dabei kletterte das Titelstück dieser Auktion, ein sogenanntes VALDIVIA-Provisorium aus Kamerun, von 5000 auf 7000 Euro oder eine Einschreibekarte aus JALUIT (Hauptort der Marshall-Inseln) mit einer halbierten 50 Pf Adler trotz kleiner Beanstandungen von 4000 auf 14 000 Euro. Den Vogel bei diesen Provisorien schoss eine Ansichtskarte aus PONAPE (Karolinen) ab, die mit einer doppelt überdruckten Marke zu 3 Pf von 1000 bis auf sagenhafte 22 500 Euro davonzog.
Waren die Ergebnisse der Marken aus deutscher Kolonialzeit bis 1914 schon überaus beachtlich, so gab es bei den Ausgaben der britischen Besetzung, als eine nur sehr kleine Zahl deutscher Marken mit englischem Aufdruck versehen wurde, kein Halten mehr. Sammler und Anleger vor allem aus angelsächsischen Ländern wie Australien und den USA beteiligten sich nun umso nachhaltiger online an der Versteigerung und ermöglichten Resultate, die niemand für denkbar gehalten hatte und die die Katalognotierungen ad absurdum führten. Dazu einige Beispiele zunächst von Deutsch-Neuguinea: Eine in nur wenigen Stücken aufgelegte Einschreibemarke aus DEULON in sauberer Durchschnittserhaltung und mit 1000 Euro ins Rennen geschickt, schoss auf 32 000 Euro, eine Aufdruckmarke 2 S auf 2 Mark Kaiseryacht mit der Besonderheit „großes S“ erzielte trotz verschiedener Qualitätseinschränkungen mit sagenhaften 23 500 Euro mehr als das 40-fache des Startpreises! Zwei Marken mit jeweils zweifachem Aufdruck 1 d auf 10 bzw. 20 Pf Kaiseryacht, von der keine Handvoll existieren dürften und die einst die Sammlung von Lord Bute schmückten, landeten nach heißen Bieterkämpfen bei 26 000 bzw. 30 500 Euro. Die höchste Zuschlagssumme mit 39 000 Euro erreichte ein waagerechtes Paar 1 Mark Kaiseryacht von den Marshall-Inseln mit doppeltem Aufdruck ebenfalls aus der Sammlung Lord Bute.
Auch die Hauptauktion mit Münzen, Marken und Sammlungen aus aller Welt setzte Akzente, gab es doch vor allem bei der deutschen Feld- und Inselpost sowie der SBZ herausragende Ergebnisse. Das teuerste Einzellos, ein ungezähnter Bogensatz französische Zone, wurde mit 27 000 (25 000) Euro zugeschlagen. Sammlungen und Nachlässe verdoppelten und verdreifachten häufig die Startpreise. Kaum ein Los blieb unverkauft, so dass der Gesamtzuschlag dieses Auktionsteils – gemessen am Startpreis – bei ebenfalls beachtlichen 170 % lag.