Ein Bericht von Jan Billion
Originalbogen der begehrten Mark- bzw. Dollar-Werte der Deutschen Kolonien sieht man immer mal wieder im Handel oder auf Auktionen. Aber einen Bestand von über 90 Bogen, dazu noch Bogenteile und kleinere Einheiten, auflösen zu können, stellt eine Sternstunde in der Karriere eines Briefmarkenversteigerers dar. Auf der 67. Hadersbeck-Auktion vom 28 bis 30. Oktober 2020 kommt der gesamte Posten unter den Hammer. Der relativ günstige Ansatz der Ware dürfte noch viel Raum für die Steigerungsfantasien interessierter Bieter lassen.
Seit Jahrzehnten aufbewahrt
Als Thomas Wickboldt, Geschäftsführer der seit Jahrzehnten bestehenden Berliner Firma Hadersbeck Auktionen, zusammen mit seinem Sohn zu einer Besichtigung in eine Vorstadt gerufen wurde, schien es ein Termin wie viele andere zu werden. Der Anrufer hatte am Telefon von zwei Koffern mit vielen Briefmarken erzählt, darunter auch kompletten Bogen. Die Datierung der Koffer auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg klang interessant, war aber kein Garant für eine hochwertige Einlieferung, wenn man an die vielen postfrischen Bogen aus der Inflationszeit denkt, der immer noch kursieren. Vor Ort eingetroffen, offenbarte der Inhalt des ersten Koffers zwar keine Massenware, aber eben auch keine, für die sprunghafte Steigerungen zu erwarten gewesen wären. Der zweite Koffer hatte es allerdings in sich! In ihm befanden sich über 90 Bogen der Mark-bzw. Dollar-Werte aus verschiedenen Deutschen Kolonien, angefangen bei den Auslandspostämtern in China und Marokko über die Kolonialgebiete in der Südsee bis hin zu Afrika, beispielsweise Kamerun, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika. Zwei Bogentaschen wiesen auf den Ursprung des Materials: Es stammt aus öffentlichen Versteigerungen der Markenverwertungsstelle des Reichspostministeriums, die zwischen 1919 und 1924 stattfanden. Damals kamen die Restbestände der Marken der Deutschen Kolonien, die nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages abgetreten werden mussten, unter den Hammer. Eine der Bogentaschen gab auch Auskunft über den Erstbesitzer: Es war der Plauer Briefmarkenhändler Robert Zöbisch. Nicht mehr nachvollziehen ließ sich allerdings, wie und ggf. über welche Umwege die Bogen zu dem Untermieter kamen, von dem der Einlieferer sie vererbt bekommen hat.
Letztlich ist das auch nicht so wichtig, denn an der Echtheit der Kolonial-Bogen bestehen keine Zweifel. Auch der abgebildete 20er-Bogen der Kiautschou MiNr. 37 II A PF I wird von einem neuen Attest von BPP-Verbandsprüfer Michael Jäschke-Lantelme begleitet. Thomas Wickboldt hat die Bogen, Bogenteile und Einheiten mit rund 20 bis 25 Prozent der aktuellen MICHEL-Notierung angesetzt. Bei der Beliebtheit der Mark- bzw. Dollar-Werte der Deutschen Kolonien sind gute Steigerungen und eine hohe Verkaufsquote vorprogrammiert – zumal wenn es sich um frisches, seit Jahrzehnten dem Markt vorenthaltenes Material handelt.
Internet: www.hadersbeck-auktionen.com